Schonungslose Wahrheit über Akkualterung nach Extrem-Nutzung in 3 Jahre, 70.903km beim Kia EV6
- Dirk Henningsen
- 5. Okt.
- 9 Min. Lesezeit
Schlimmer Verdacht: Schon 9,8% Alterung nach knapp 3 Jahren und fast 71.000km laut CarScanner. Liegt es richtig?
Durch einen ungeplanten Degradationstest bei dem ich die Traktionsbatterie meines Kia EV6 auf 0% herunter gefahren habe, ergibt sich ein überraschendes Ergebnis für die Akku-Gesundheit meines Kia EV6.
Wie schlimm ist die Alterung der Traktionsbatterie meines Kia EV6 wirklich?
Sind es 5,4 % wie ABRP aufgrund der Daten aus dem Autosystem behauptet?
Oder gar 9,8 % wie ich über CarScanner auslesen kann?
Liegt der EV6 mit der Analyse seines Gesundheitszustandes, dem sogenannten SOH also State of Health von 94,6% doch richtig?
Und was würde bei einem professionellen Batteriezertifikat ermittelt werden?
Es wird höchste Zeit, dass wir das nach zwei Jahren zehn Monaten und 15 Tagen und 70.903 gefahrenen Kilometern herausfinden.
Auf meinem Roadtrip zur IAA habe ich die ersten 377,9 km für einen Degradationstest genutzt, um herauszufinden, wie stark die Batterie bereits gealtert ist.
Wie ungeplant knapp der ganze Test geworden ist und dadurch eine sehr hohe Aussagekraft hat, wirst du in diesem Video sehen.
Moin und frische Grüße aus dem hohen Norden an alle, die gerne hinter die Kulissen schauen und die wahren Zusammenhänge begreifen wollen.
Ich bin Dirk Henningsen und fahre seit 2017 nur noch E-Autos und seit dem 22.10.2022 einen Kia EV6 den ich 1,5 Jahre fast ausschließlich an Ultraschnellladesäulen geladen habe, so dass bei den mittlerweile 456 Ladungen durch die ich 17.516 kWh oder 17,5MWh in die Batterie geladen haben, 68% DC, also sehr schnell geladen worden sind und nur 32% langsam an Wallboxen und Typ-2-Ladern.
Da es immer heißt, dass gerade Ultraschnellladen besonders schädlich für die Traktionsbatterie sei, bin ich natürlich umso gespannter was der heutige Degradationstest ergibt, den ich eher durch Zufall, denn durch Absicht gemacht habe, da ich doch mehr bei meiner Fahrt verbraucht habe als kalkuliert und so mit wenigen Wattstunden am ersten Lader angekommen bin, aber dazu gleich mehr.
Warum haben so viele Elektroautofahrer oder Menschen, die darüber nachdenken, ein Elektroauto zu kaufen vor Angst, dass die Batterie altert?
Ganz einfach: die Traktionsbatterie eines Elektroautos ist das teuerste Bauteil und somit herrscht nach wie vor die Angst vor, dass durch den Austausch der Batterien kosten von 15.000 € im extrem Fall sogar bis zu 40.000 € auftreten können.
Um es gleich zu Anfang ganz deutlich zu sagen, hat die mittlerweile langjährige Erfahrung mit Elektroautobatterien gezeigt, dass in den meisten Fällen die Batterien deutlich langsamer, altern und deutlich länger halten, als das selbst von Experten zu Anfang oder sogar in den vergangenen Jahren vermutet worden ist.
Das hat auch nichts mit schönreden zu tun oder andere merkwürdige Gründe, sondern es ist ganz simpel der Unterschied zwischen Labor und Realität.
Was meine ich damit? Um die Alterung von Batterien vorhersagen zu können, haben viele Hersteller oder auch Laboren, diese künstlich gealtert. D.h. zum Beispiel das Batterien im Labor kontinuierlich geladen und entladen worden sind.
Mit der Praxis hat das relativ wenig zu tun. Denn wer lädt in der Praxis sein Auto zum Beispiel regelmäßig auf 90 % voll fährt es dann mit einer kontinuierlichen Geschwindigkeit auf 10 % runter und lädt es dann wieder auf 90 % voll?
Richtig, das macht keiner!
In der Praxis wird das Elektroauto mal von 60 auf 70 % geladen. Dann wird das von 70 % auf 30 % leer gefahren, dann wieder auf 100 % geladen und so weiter. Auch das entladen findet nicht immer mit der gleichen Leistung statt, sondern Mal fährt man schneller mal langsamer mal gibt man mehr Strom mal weniger und dadurch wird die Batterie ganz anders als im Labor belastet.
Die Erfahrung hat nun gezeigt, dass diese wechselnden Rahmenbedingungen dazu führen, dass die Batterien deutlich länger halten als ursprünglich gedacht und im Labor ermittelt.
Neben der Alterung durch die Nutzung von Batterien gibt es aber noch die so genannte kalendarische Alterung. Also die Halterung über die Zeit.
Beides zusammen ist dann die Degradation.
Als ich 2017 meine ersten Elektroautos gekauft habe, galt die Daumenregeln, dass innerhalb des ersten Jahres die Batterie um 5 % altert und dann mit jeweils 0,5 % pro Jahr.
Das bedeutet, dass bereits zwei Jahre nach dem Kauf des Autos 5,5 % weniger Kapazität in der Batterien zur Verfügung stehen würden.
Während bei meinem Tesla Model S75, dass ich fast 150.000 km gefahren bin, diese Daumenregel noch gegriffen hat, sah es bisher bei meinem Kia EV6 ganz anders aus, denn bei dem letzten vollständigen Degradationstest am 8.6.2024 bei 46.000 km lag die Degradation bei 0%.
Doch nun soll alles anders sein? Denn ABRP, der mit dem BMS, Batterie-Management-System, des Kia EV6 verbunden ist, zeigt 5,4 % Alterung an und wenn ich mir die Daten direkt aus dem System ziehe und diese ermittele dann stehen wir bei 100 % nur noch 65,854kWh Energie zur Verfügung, bei einer neuen Batterie wären es jedoch 73,4 kWh. Sprich mein Auto sollte 9,8 % weniger Energie aus der Batterie entnehmen können, wenn ich die entnehmbare Energie aus dem aktuellen Test als Grundlage nehme.
Was gibt es für belastbare Methoden, die Degradation einer Traktionsbattterie zum messen?
Die einfachste Methode für uns Autofahrer in der Praxis ist die gleichmäßige Entnahme von Energien über den gesamten Messzeitraum durchs Fahren.
Dabei habe ich mein Auto so voll geladen wie irgend möglich und habe vom BMS die Rückmeldung erhalten, dass mir 65.854 Wh zur Verfügung stehen.
ABRP hat dann aufgrund des bisherigen Verbrauches der Strecke ermittelt, dass ich mit 6 % Rest nach 378 km an der ersten Ladestation ankommen sollte.
Um die Messung möglichst genau zu machen, ist das sinnvoll, die Batterie auf 0 % leer zu fahren, so dass nur noch der Puffer unter 0 % zur Verfügung steht.
Ganz ehrlich, auch für mich als sehr erfahrener Elektroautofahrer, ist der Degradationstest immer mit einem gewissen Restrisiko verbunden, da ich möglichst bei genau 0 % an der Ladestation ankommen sollte.
Deswegen mache ich solche Tests auch immer vor meinem heimischen Lademöglichkeit und nicht, wenn ich irgendwo 378 km hinfahre und nicht weiß, was mich auf dem Weg alles erwartet und welche alternativen Lademöglichkeiten ich in unmittelbarer Nähe habe, wenn die Batterie leer ist.
6 % Rest am ersten Ladestopp ist allerdings für mich kein großer Aufreger, da ich verschiedene Möglichkeiten kennen Energie zu sparen, so dass ich relativ zuverlässig vorhersagen kann wie voll meine Batterie beim Ladestopp ist.
Als ich mit 110 km/h, wo dies möglich war, Richtung Ladestation gefahren bin, sank die prognostizierte Restreichweite an der Ladestation erst von 6% auf 2% und dann später sogar auf 0%.
Hintergrund war, dass der Verbrauch bei einer Geschwindigkeit von 110 km/h höher war als der Verbrauch, der zu Grunde gelegt worden ist und bei Fahrten im Stadtgebiet oder auf der Landstraße erzielt worden ist.
Die Wetterbedingungen waren gut. Kaum Wind, Temperaturen zwischen 9-12 Grad, etwas Nebel aber trockene Fahrbahn.
Ich habe dann sukzessive die Geschwindigkeit reduziert und es dadurch ab passen können, dass ich mit 0 % laut Anzeige im Kombiinstrument vom Kia EV6 und 0,5 % laut BMS angekommen bin.
Somit habe ich wieder willen einen klassischen Degradationstest mit aussagekräftigen Ergebnissen gemacht.
Und die Ergebnisse des Degradationstests vom Kia EV6 haben es in sich:
Noch einmal zur Erinnerung, mein Kia EV6 war zum Zeitpunkt des Tests 1050 Tage alt, also zwei Jahre und 10,5 Monate. Der Tachostand lag bei 70.903km und für die Strecke von 377,9km hat der Bordcomputer einen Verbrauch von 19,3kWh/100km ermittelt.
Laut Carscanner hatte ich bei 100% SOC 65.854Wh und bei der Ladestation
0,5% SOC und eine verbleibende Energiemenge von 330Wh.
Rechne ich den durchschnittlichen Verbrauch von 19,3kWh/100km auf 377,9 km hoch ergibt das eine verbrauchte Energiemenge von 72,935kWh. Zuzüglich der 330Wh komme ich somit auf 73,265kWh und konnte somit 135Wh weniger verbrauchen, als die bei einer neuen Batterie zur Verfügung stehenden 73,4kWh.
In Prozent reden wir somit von 0,2 % Degradation. Da dies aber kein wissenschaftlicher Test ist, sondern in der Praxis mit allen seinen Fehlertoleranz durchgeführt worden ist, kann man denke ich durchaus davon sprechen, dass es keine Alterung beim Akku gibt.
Wie ist das jetzt möglich, dass mein Kia EV6 trotz der hohen Laufleistung und trotz häufigen Ultraschnellladen keine Degradation aufweist?
Ganz einfach: auch die Traktionsbatterie meines Kia EV6 ist der kalendarischen Alterung und der durch Nutzung unterworfen. Ja auch, obwohl ich ermittelt habe, dass sie nicht gealtert ist!
Denn, Kia nutzt, wie viele andere Autohersteller auch, einen Puffer oberhalb von 100 %, um zum einen die Ladeleistung auch bei einem höheren Füllstand der Batterien hochzuhalten und zum anderen die Alterung zu verstecken.
Andere Autohersteller, wie zum Beispiel Tesla, stellen dem Autofahrer 100 % der möglichen Energie zur Verfügung, was dann allerdings dazu führt, dass der Autofahrer die Alterung direkt durch eine geringere Energiemenge, die entnehmen kann, merkt.
Ich persönlich finde das Vorgehen von Kia besser, weil ich als Autofahrer so länger immer die gleiche Reichweite habe, mit der ich kalkulieren kann. Der Nachteil ist natürlich, dass ich gerade in der Anfangszeit nicht die komplette im Auto verbaute Energiemenge nutzen kann.
Nichts, desto trotz ist nach fast drei Jahren und über 70.000 km eine Degradation der Batterie von 0 % ein Statement!
Es zeigt, dass selbst Traktionsbatterien die häufig an Ultraschnellladestationen geladen worden sind keine außergewöhnlich hohe Alterung verzeichnen.
Wie kann Kia ein so gutes Ergebnis bei der Akkugesundheit und eine so geringe Degradation erzielen?
Zum einen hilft Kia der erwähnte Puffer oberhalb von 100 % zum anderen ein gutes Thermalmanagement sowie eine robuste Batteriezellstruktur und Chemie.
Denn was Tesla schon 2019 erkannt und bei seinen Fahrzeugen berücksichtigt hat, ist, dass die Ladung von zu kalten Batteriezellen diesem überproportional belasten, sind die Zellen jedoch im optimalen Temperaturbereich, werden sie nicht über Gebühr belastet.
Mein Kia EV6 hat zwar einen unterdimensioniert Thermalmangement, so dass er bei fast jeder Ladung nicht die optimale Temperatur über die gesamte Ladedauer erreichen oder halten kann, aber er kompensiert dies durch die Anpassung der Ladeleistung die ursächlich für die Belastung der Batteriezellen ist.
Hätte ein offizieller Batterietest von einem anderen Anbieter andere Ergebnisse erzielt?
Mit Sicherheit. Denn das Problem ist, dass viele Tests sich auf die Aussagen des Batteriemanagementsystems vom Auto verlassen, dass selber die aktuell entnehmbar Energiemenge nur näherungsweise ermitteln kann.
Ich will jetzt hier nicht so viel ins Detail gehen aber was dir bewusst sein sollte, ist, dass man Energie nicht so einfach wie Wasser oder Benzin messen kann, da es sehr viele verschiedene Einflussfaktoren gibt, die die entnehmbar Energiemenge beeinflussen. So kann man zum Beispiel bei sehr hohen Geschwindigkeiten und hohen Motorleistungen weniger Energien aus der Batterie entnehmen, das gleiche gilt für kalte Temperaturen.
Somit muss das Batteriemanagementsystem kontinuierlich neu ermitteln, wie viel Energie verfügbar ist. Nur mal als Erlebnis aus meiner Praxis mit meinem Kia EV6. Wenn ich diesen auf 90 % laden, hört die Ladung bei 89,5 % SOC auf, da das System auf 90 % auf rundet. Fahre ich direkt nach der Ladung mit dem Fahrzeug los werden im Fahrzeug 89 % angezeigt. Lasse ich mein Auto, aber ein paar Stunden oder gab es zum nächsten Tag stehen, dann wird plötzlich 93 % angezeigt.
Wie ist das möglich?
Ganz einfach, dass Batteriemanagementsystem hat die Zeit genutzt und die Zellen balanciert und die tatsächliche Energiemenge in der Batterien nachträglich kalkuliert. Man kann im Prinzip sagen, dass in einer ersten Überschlagsrechnung 90 % ermittelt worden sind und dann beim genauen nachrechnen 93 %.
Dieses kleine Beispiel zeigt, wie ungenau die Daten sind, wenn man sie direkt aus dem BMS ausliest und deswegen nutzen Tools die einen möglichst genauen Degradationstest machen wollen, auch mindestens einen kompletten Lade- und Entladezyklus, um die Energiemenge selber zu ermitteln.
Aber auch dadurch wird die Alterung nur näherungsweise ermittelt, da es eine gewisse Spreizung bei den Energiemengen selbst von neuen Batterien gibt, so dass, wenn nicht mit einem oberen Puffer gearbeitet wird, jede Batterie im Auto eine unterschiedliche Größe hat.
Somit gibt es nur eine wirklich zuverlässige Möglichkeit, die Alterung zu ermitteln, indem man die Batterien bei möglichst konstanter Geschwindigkeit, nachdem sie auf 100 % geladen worden ist, auf 0 % leer fährt.
Fazit zur Akkualterung und Degradation des Kia EV6:
Auch bei den heutigen Elektroautos musst du dir, gerade in der Garantiezeit, keine Gedanken über die Haltbarkeit, der Traktionsbatterie machen.
Du kannst dein Elektroauto so nutzen, wie du es nutzen möchtest. Selbst extreme Nutzungsprofile wie häufiges Schnellladen weil du nur an öffentlichen Ladestationen laden kannst, belastet dein Elektroauto beziehungsweise dessen Batterie nicht über Gebühr.
Tools, die das BMS, also das Batterie-Management-System auslesen und den Gesundheitszustand, den so genannten SOH, nennen, geben nicht immer die in der Praxis tatsächlich erzielbaren Werte wieder.
Die einzige Möglichkeit, wenn du das willst, die Menge der entnehmbar Energie zu ermitteln, ist ein praktischer Test.
Denn ganz ehrlich, mir ist die Aussage des BMS das mir 9,8 % der ursprüngliche Energie fehlen doch völlig egal, solange ich in der Praxis 100 % der ursprünglichen Energie entnehmen kann.
Aber auch nach der Garantie brauchst du keine Angst zu haben, dass die Batterie gleich kaputt geht und selbst wenn sie kaputt gehen sollte, gehen in der Regel nur einzelne Module kaputt, die in den meisten Fällen repariert werden können.
Hier hat sich mittlerweile eine Industrie gebildet, die gebrauchte Elektroautos und ihre Batterien reparieren kann.
Ich hoffe das Video hat dir gefallen. Wenn du Fragen, Anregungen, Kommentare oder Korrekturen hast, hinterlasse sie gerne unter dem Video. Und denke an das Abonnieren meines YouTube-Kanals. Es ist in Sekunden gemacht und kostet nichts.
Ich freue mich, wenn wir uns im nächsten Video sehen.
Bis dann.
Dein Dirk Henningsen

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